Vorzeitige Schlüsselrücknahme durch Vermieter und Verjährungsbeginn

Vorzeitige Schlüsselrücknahme durch

Vermieter und Verjährungsbeginn

 

Der Beginn der Verjährung nach § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB wird grundsätzlich nicht durch Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters ausgelöst.

( BGH, Urteil vom 12.10.2011, VIII ZR 8/11)

 

Der Fall:

Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der Vermieter verpflichtet ist, die Schlüssel vor Beendigung des Mietverhältnisses zurückzunehmen. Die Beantwortung dieser Frage spielt für die Praxis eine nicht unerhebliche Rolle. Denn mit ihr geht die Frage einher, ob der Vermieter in Annahmeverzug gerät und die kurze Verjährungsfrist des § 548 BGB zu laufen beginnt, wenn er sich weigert, die Schlüssel vorzeitig zurückzunehmen. Das Problem der Verpflichtung zur vorzeitigen Schlüsselrücknahme ist in der Literatur umstritten und vom BGH bislang ausdrücklich offen gelassen worden (BGH, Urt. v. 15.03.2006 - VIII ZR 123/05 - NJW 2006, 1588).

 

Die Entscheidung:

Der Beklagte räumte die eine von ihm angemietete Wohnung Ende Juni 2007. Er kündigte jedoch das Mietverhältnis erst am 2. Juli 2007 außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2007. Im Rahmen seines Auszugs bot er der Klägerin am 30. Juni 2007 persönlich die Rückgabe der Schlüssel unter Hinweis auf die bereits geräumte Wohnung an. Nachdem sich die Klägerin weigerte, die Schlüssel in Empfang zu nehmen, warf der Beklagte dieselben in seinen bisherigen Briefkasten neben der Haustür der Klägerin. Im Nachgang einigten sich die Parteien einvernehmlich auf einen offiziellen Übergabetermin, den beide Parteien am 1. Oktober 2007 auch wahrnahmen.

 

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadenersatz wegen übervertragsgemäßen Gebrauchs. Zur Sicherung ihrer Ansprüche hat sie am 19. März 2008 ein gerichtliches Mahnverfahren eingeleitet. Im streitigen Verfahren hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben und sich darauf berufen, dass die Klägerin verpflichtet gewesen sei, die Schlüssel entgegenzunehmen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung der Klägerin unter dem Hinweis auf die eingetretene Verjährung zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision hat zum Teil Erfolg. Der BGH ist der Ansicht, dass die Schadenersatzansprüche der Klägerin wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache nicht verjährt sind. Insoweit führt er aus, dass die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht durchgreife.

 

Nach § 548 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB beginne die Verjährung der Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in dem Zeitpunkt, in dem er die Sache zurückerhalte. Nach der Rechtsprechung des BGH setze die Rückgabe im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil er erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt werde, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen. Insbesondere sei die Beendigung des Mietverhältnisses nicht Voraussetzung für den Beginn der kurzen Verjährung. Wende man vorgenannte Grundsätze an, habe die Verjährung der von der Klägerin erhobenen Ansprüche erst mit dem Ablauf des 1. Oktober 2007, mithin mit dem Tage der Rückgabe der Wohnung, begonnen. Durch die vor Ablauf von sechs Monaten erfolgte gerichtliche Geltendmachung sei daher der Verjährungsablauf gehemmt.

 

Insbesondere habe die Klägerin die Wohnung nicht schon dadurch i.S.d. § 548 Abs. 1 BGB zurückerhalten, dass der Beklagte Ende Juni/Anfang Juli 2007 versucht habe, ihr die Wohnungsschlüssel zurückzugeben. Die Klägerin sei zu diesem Zeitpunkt nicht in den Besitz der Wohnungsschlüssel gelangt und habe deshalb auch nicht die unmittelbare Sachherrschaft über die

an den Beklagten vermietete Wohnung zurückerlangt. Auch dass der Beklagte die Schlüssel für die bereits geräumte Wohnung nach der gescheiterten Übergabe in den Briefkasten seiner bisherigen Wohnung geworfen habe, habe nicht zur Sachherrschaft der Klägerin über die Wohnung geführt. Da ein Annahmeverzug der Klägerin hinsichtlich der angebotenen Schlüssel nicht eingetreten sei, hätte dieser auch nicht den Beginn der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 2 BGB ausgelöst.

 

Soweit der Senat bislang die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen der Mieter zu einer Rückgabe der Mietsache vor Beendigung des Mietverhältnisses berechtigt sei, offen gelassen habe, so bedürfe diese Frage auch hier keiner grundsätzlichen Entscheidung. Denn jedenfalls sei der Vermieter nicht verpflichtet, die Mietsache jederzeit – sozusagen „auf Zuruf“ – zurückzunehmen. Die Klägerin sei insbesondere durch ihre Weigerung, die Schlüssel sofort „an der Haustür“ entgegenzunehmen, nicht in Annahmeverzug geraten. Der Klägerin sei es auch nicht unter dem Gesichtspunkt von § 242 BGB (Treu und Glauben) verwehrt, sich auf die erfolgte Rückgabe im Oktober 2007 zu berufen. Denn dieser Termin sei nach der gescheiterten Schlüsselübergabe einvernehmlich vereinbart und in der Folgezeit auch eingehalten worden, so dass kein Anlass bestanden habe, die Klägerin hinsichtlich der Verjährung ihrer Ersatzansprüche so zu behandeln, als habe sie die Sachherrschaft über die streitige Wohnung bereits drei Monate vorher erhalten.

 

Praxisrelevanz:

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes steht im Ergebnis gegen die herrschende Meinung in der Literatur und ist daher einigermaßen bedeutsam. Leider hat der BGH aber auch hier eine einzelfallbezogene Begründung gewählt und von einer allgemein gültigen Entscheidung abgesehen. Denn der BGH stellt auf die einvernehmliche Übergabe am 1. Oktober 2007 ab und lässt insofern die allgemeingültige Frage der Wirkung der Schlüsselrückgabe durch Einwurf in den Briefkasten unbeantwortet.

 

Anders als der BGH hätte die wohl derzeit herrschende Auffassung in der Literatur für die hier vorliegende Konstellation mit dem Berufungsgericht das Vorliegen des Annahmeverzugs der Klägerin bejaht. Insoweit wird von dieser nämlich unter Bezugnahme auf § 271 Abs. 2 BGB und unter Hinweis auf die fehlende Gebrauchspflicht vertreten, dass der Vermieter gehalten sei, eine Wohnung vor Vertragsende zurückzunehmen (Blank in: Blank/Börstinghaus, Miete, § 546 Rn. 15; Rolf in: Staudinger, BGB, 2006, § 546 Rn. 34). Bejaht man hingegen eine Obhutspflicht des Mieters als Nebenpflicht des § 535 Abs. 1 BGB, so wird man – entgegen der herrschenden Meinung in der Literatur – zu dem Ergebnis kommen müssen, dass § 271 Abs. 2 BGB nicht anwendbar ist. Denn die Anwendbarkeit von § 271 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass der Gläubiger durch die Vorausleistung kein vertragliches Recht verliert oder seine rechtlich geschützten Interessen nicht beeinträchtigt werden. Wäre der Mieter berechtigt, die Mietsache vor Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben, so würde er die ihm obliegende Obhutspflicht undankbarer Weise und vom Vermieter nicht gewünscht diesem auferlegen (wie hier: Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., 2007, § 546 Rn. 11; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Teil XIII Rn. 14; Bieber in: Münch-Komm, BGB, 5. Aufl., 2008, § 546 Rn. 16; Krapf, Festschrift – 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz, eine Bilanz – 2011 zu § 548 BGB).

 

Die Entscheidung des BGH trägt daher – leider – nicht zu einer verallgemeinerungsfähigen Klärung der Frage bei, ob die Rückgabe der Schlüssel durch Einwurf in den Briefkasten zum Übergang der Sachherrschaft vom Mieter auf den Vermieter führt. Dies macht die Rechtsberatung auch in Zukunft nicht einfacher. Man wird jedoch davon ausgehen dürfen, dass jedenfalls bei Rückgabe aller Schlüssel und ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Sachhherrschaft in diesem Augenblick auf den Vermieter übergeht, mit der Folge des Inlaufsetzens der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB.

 

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