Lärm und Mietminderung

Darlegungslast bei Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch Lärm

 

15. Mai 2012 | Bau- u. Immobilienrecht | von Rechtsanwalt M. Radu

 

Zur Darlegung wiederkehrender Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs genügt eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen (Partygeräusche, Musik, Lärm durch Putzkolonnen auf dem Flur o.ä.) es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten; der Vorlage eines „Protokolls“ bedarf es nicht.

 

Welche Maßstäbe sind an die dem mietzinsmindernden Mieter obliegende Substantiierungspflicht im Hinblick auf einen behaupteten Mangel wegen der Art und Weise der Ruhestörung durch wechselnde Feriengäste zu stellen, damit das Gericht verpflichtet ist Beweis darüber zu erheben ? Mit dieser Frage beschäftigte sich jüngst der Bundesgerichtshof (BGH). An den Maßstäben zum Umfang der Darlegungslast werden sich in Zukunft die Instanzgerichte, jedoch auch die rechtsberatenden Berufe auszurichten haben.

 

Die Beklagten minderten im Zeitraum September 2007 bis Juni 2009 gegenüber der Klägerin die vertraglich geschuldete Miete um mehr als insgesamt zwei Monatsmieten und zahlten ihre Miete ab Juni 2009 nurmehr unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Sie begründeten diese Minderung mit erheblichen Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs, insbesondere in Form von Lärm und Schmutz durch Kurzzeitmieter (überwiegend junge Touristen), an die die Klägerin andere Wohnungen ständig vermietete. Die Klägerin widersprach dieser Minderung und kündigte im Januar 2009 das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich. Die von der Klägerin sodann zum AG Berlin-Mitte erhobene Zahlungs- und Räumungsklage wies dieses mit Urteil vom 07.04.2010 (15 C 63/09) ab und gab einer von den Beklagten erhobenen Widerklage auf teilweise Rückzahlung des unter Vorbehalt gezahlten Mietzinses statt. Im Rahmen des Berufungsverfahrens hob das LG Berlin mit Urteil vom 28.01.2011 (63 S 240/10) dieses Urteil auf und verurteilte die Beklagten zur Räumung und Zahlung des geminderten Mietzinses. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Beklagten im Rahmen ihres Vortrages nicht hinreichend dargetan hätten, dass durch die Vermietung an Touristen eine Gebrauchsbeeinträchtigung eingetreten sei. Gleichzeitig ließ es die Revision zum BGH zu, der dieser mit Urteil vom 29.02.2012 (VIII ZR 155/11) stattgab.

 

Der BGH teilte in seiner Revisionsentscheidung vom Grundsatz her durchaus den Ausgangspunkt der Überlegungen des LG Berlin, wonach eine Beeinträchtigung des Mietgebrauchs nicht schon darin liegt, dass die Klägerin freigewordene Wohnungen in der Anlage nicht mehr an Langzeitmieter, sondern an Feriengäste und Touristen vermietet, also regelmäßig für einen Zeitraum von wenigen Tagen oder Wochen. Dies führe nicht zwangsläufig zu Beeinträchtigungen der übrigen Mieter, die über das Maß von Störungen hinausgehen, die bei einer Wohnungsnutzung typischerweise zu erwarten und in einer Wohnanlage mit vielen Parteien kaum zu vermeiden sind. Vielmehr komme es entscheidend darauf an, wie die konkrete Nutzung durch Feriengäste ausgestaltet sei und verwies auf seine diesbezügliche Rechtsprechung in WEG-Angelegenheiten, wo maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob eine unzulässige Nutzung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft vorliege, sei, inwieweit durch die konkrete Art der Ausgestaltung der Vermietung an Feriengäste über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil entsteht (BGH, Urt. v. 15.01.2010 – V ZR 72/09).

 

Auch bei der ähnlich gelagerten Frage, ob ein Mieter im Einzelfall vom Vermieter die Gestattung einer teilgewerblichen Nutzung verlangen kann, stelle der Senat entscheidend auf die konkrete Ausgestaltung der Nutzung ab, insbesondere ob sie so organisiert ist, dass von einem etwaigen Publikumsverkehr keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitglieder ausgehen, als bei einer üblichen Wohnnutzung (BGH, Urt. v. 14.07.2009 – VIII ZR 165/08 – NJW 2009, 3157 Rn. 15).

 

Auch der weitere Ausgangspunkt des Berufungsgerichtes, dass in einem Mehrfamilienhaus gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen wie etwa einzelne Streitigkeiten von Bewohnern oder gelegentliches Feiern als sozialadäquat hinzunehmen sind und noch nicht als Sachmangel gemäß § 536 BGB anzusehen sind, sei zutreffend.

 

Allerdings habe das Berufungsgericht fälschlicherweise dem erfolgten Sachvortrag der Beklagten keine ausreichende Bedeutung geschenkt, da die Beklagten im Einzelnen detailliert dargelegt hätten, warum, wann und wie es zu erheblichen Beeinträchtigungen durch das Geschäftsmodell der Klägerin kommt, insbesondere das Fehlen einer ständig besetzten Rezeption moniert haben und diese Beeinträchtigungen auch durch über einen längeren Zeitraum geführte Protokolle belegt und unter Beweis gestellt haben. Gleichwohl habe das Berufungsgericht sich über diesen konkreten Sachvortrag der Beklagten mit der pauschalen Bewertung hinweggesetzt, die Beklagten hätten keine Beeinträchtigungen vorgetragen, die bei einem Wohnhaus in zentraler Berliner Innenstadtlage über das ohnehin zu Erwartende hinausgingen und damit die Substantiierungsanforderungen in unvertretbarer Weise überspannt.

 

Da die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetz eintritt, genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Beeinträchtigung (oder einem bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht vorzutragen (BGH, Urt. v. 27.02.1991 – XII ZR 47/90 – NJWRR 19 91, 779; BGH, Beschl. v. 11.06.1997 – XII ZR 254/95 – WuM 1997, 488; jeweils zu § 537 BGB a.F., BGH, Senatsbeschl. v. 25.10.2011 – VIII ZR 125/11 – NJW 2012, 382 Rn. 13).

 

Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm oder Schmutz sei deshalb die Vorlage eines „Protokolls“ nicht erforderlich. Vielmehr genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen (Partygeräusche, Musik, Lärm durch Putzkolonnen auf dem Flur o.ä.) es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Diesen Anforderungen habe der teilweise minutiöse Sachvortrag der Beklagten genügt, was das Berufungsgericht verkannt habe, so dass das Urteil insoweit gemäß § 561 Abs. 1 ZPO aufzuheben und mangels Entscheidungsreife nach § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen war.

 

Praxishinweis:
Instanzgerichte werden nach dieser BGH-Entscheidung in Zukunft noch genauer zu prüfen haben, ob der Sachvortrag eines Mieters zum Vorliegen eines Minderungstatbestandes gemäß § 536 Abs. 1 BGB schlüssig und erheblich ist und somit vorgetragenen Beweisangeboten nachgegangen werden muss, auch wenn dies dann zu einer umfangreichen Beweisaufnahme durch Zeugenbefragungen und eine damit wesentlich längere Prozessdauer führt. Verfahrensbevollmächtigte in Mietminderungsstreitigkeiten wegen Störungen durch andere Mietparteien müssen Ihren Sachvortrag an dieser Entscheidung orientieren.

 

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