Mietspiegel, Mietpreisbremse und Anwendbarkeit

 

 

 

 

Der Mietspiegel, das unbekannte Wesen

 

 

Der Begriff „Mietspiegel“ ist derzeit wieder in aller Munde. Grund hierfür ist nicht zuletzt die jüngste Gesetzesinitiative zur Einführung einer sogenannten „Mietpreisbremse“. Nach geltender Gesetzeslage steht es Haus- und Wohnungseigentümern im Falle einer Neuvermietung frei, den Mietzins selbst zu bestimmen. In begehrten Lagen und Ballungszentren führt das derzeit zu erheblichen Mietsteigerungen, die durch das neue Gesetz begrenzt werden sollen. Künftig dürfen Vermieter bei Neuvermietungen höchstens zehn Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen. Die durchschnittliche Miete wird in den meisten Fällen durch einen Mietspiegel ermittelt.

 

Grund genug, sich die Anforderungen an ein solches Kompendium näher anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat dabei jüngst die Anforderungen an das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels (Bestätigung von BGH, Urt. v. 21.11.2012 – VIII ZR 46/12) nochmals dargelegt.

 

Voraussetzung für das Eingreifen der gesetzlichen Vermutung des § 558d Abs. 3 BGB sei, dass der Mietspiegel unstreitig, offenkundig oder nachweislich nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sei. Es reiche nicht aus, dass der Mietspiegel als qualifizierter Mietspiegel bezeichnet oder von der Gemeinde und/oder von den Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter als solcher anerkannt und veröffentlicht worden sei. Auf die Prüfung, ob ein Mietspiegel die Anforderungen des § 558d Abs. 1 BGB erfüllt, kann im Bestreitensfall nicht schon deswegen verzichtet werden, weil der Mietspiegel von seinem Ersteller als qualifizierter Mietspiegel bezeichnet oder von der Gemeinde und/oder von den Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter als solcher anerkannt und veröffentlicht worden ist. Denn diese Umstände beweisen noch nicht, dass die Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 BGB auch tatsächlich erfüllt sind, insbesondere der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist.

 

Was gilt es zum Stichwort „Mietspiegel“ zu wissen?

 

Der Mietspiegel wird in der Regel von der jeweiligen Kommune – selbst oder unter Zuhilfenahme von Dritten – aufgestellt und von den Interessenverbänden der Mieter / Vermieter anerkannt.

 

Das Mietrechtsrahmengesetz (MRRG) unterscheidet zwischen einem gewöhnlichen und einem qualifizierten Mietspiegel (§ 558c, d BGB). Ganz überwiegend werden einfache Mietspiegel erstellt, was für den Verwender in rechtlicher Hinsicht von Nachteil ist.

 

Auch ein qualifizierter Mietspiegel kann nicht verwaltungsgerichtlich darauf überprüft werden, ob er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt ist und deshalb den Anforderungen des § 558d BGB entspricht. Die zivilrechtlichen Instanzgerichte müssen vielmehr – gegebenenfalls unter Einholung amtlicher Auskünfte gemäß den §§ 273 Abs. 2 Nr. 2 oder 358a Nr. 2 ZPO – über das Vorliegen der in § 558d Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen Beweis erheben.

 

Anwendung

 

Die Anwendung eines Mietspiegels setzt voraus, dass dieser bereits erstellt und als Begründungsmittel benutzbar ist. Ein noch in Druck befindlicher Mietspiegel ist bereits anwendbar, nicht hingegen ein noch nicht verabschiedeter Mietspiegel (LG Essen ZMR 1996, 88).

 

Der Mietspiegel muss bei Erklärung des Mieterhöhungsverlangens, spätestens aber zum gesetzlichen Wirkungszeitpunkt der erstrebten Mieterhöhung Geltung haben. Ein nach dem Erhöhungsverlangen veröffentlichter neuer Mietspiegel kann jedenfalls dann noch zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden, wenn der maßgebliche Ermittlungsstichtag noch vor dem Wirkungszeitpunkt der verlangten Mieterhöhung liegt (LG Berlin, GE 1996, 1547).

 

Ist der Mietspiegel allgemein zugänglich, braucht er dem Erhöhungsverlangen nicht beigefügt zu werden. Allgemein zugänglich ist ein Mietspiegel, wenn er im noch aktuellen Amtsblatt veröffentlicht ist. Nicht allgemein zugänglich ist ein Mietspiegel, der nicht kostenlos erhältlich ist, beispielsweise wenn er nur gegen eine Schutzgebühr von Interessenverbänden herausgegeben wird.

 

Das Angebot zur Einsichtnahme in den Räumlichkeiten des Vermieters reicht nicht aus! (AG Wiesbaden, WuM 2007, 325).

 

Der Vermieter muss die Bezugspunkte für die Einstufung der Wohnung in das Raster des Mietspiegels angeben, um dem Mieter zu ermöglichen, die Berechnungen des Vermieters nachzuvollziehen (LG Köln, WuM 1994, 691). Hierbei ist die Angabe der Koordinaten (Baualtersklasse, Grö- ße, Ausstattung, Wohnlage) ausreichend (LG Berlin, GE 1995, 812). Ausreichend ist, wenn der Vermieter den Mietspiegel in Kopie beigefügt hat und darin den verlangten Höchstbetrag gekennzeichnet hat, wenn der Mietspiegel allgemein zugänglich ist (LG Mönchengladbach, WuM 1992, 196).

 

Der Vermieter ist an die im Mietspiegel vorgegebene Baualtersklassifizierung grundsätzlich gebunden. Wenn eine Altbauwohnung völlig neu hergerichtet worden und neuzeitlichen Standards angepasst wurde, ist jedoch eine entsprechende Eingruppierung zulässig. Hierbei muss allerdings das ursprüngliche Baualter angegeben werden.

 

Für die Wirksamkeit des Erhöhungsverlangens ist es weiterhin nicht erforderlich, dass der Vermieter die Einordnung innerhalb der Spanne des Mietspiegels begründet. Jedoch wird er dies im Falle eines Rechtsstreites vor Gericht nachholen müssen (BGH, Urt. V. 20.4.2005, NJW 2005, 2074). Ohne weitere Angaben des Vermieters wird vom Mittelwert der Spanne auszugehen sein.

 

Der Vermieter darf einen einfachen Mietspiegel, der älter als 2 Jahre ist, nicht einfach fortschreiben oder Zeitzuschläge vorsehen. Nur für einen qualifizierten Mietspiegel ist eine Fortschreibung nach Ablauf von 2 Jahren zwingend vorgeschrieben. Der Gesetzgeber geht dabei von einer Mietenkonstanz von mindestens einem Jahr aus. Zeitzuschläge kommen daher nicht vor Ablauf eines Jahres seit Erstellung desjenigen Mietspiegels in Betracht, auf dessen Grundlage die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt wird.

 

Beweiswert

 

Einfache Mietspiegel sind von den Zivilgerichten auf ihre Richtigkeit und Eignung zum Nachweis der Vergleichsmiete zu überprüfen. Wesentlich ist dabei, ob der Mietspiegel eine Mietbewertung nach den Wohnwertkriterien des § 558 BGB ermöglicht und die Daten nach statistischwissenschaftlichen Methoden ausgewertet worden sind.

 

Die Gerichte haben im Rahmen des Freibeweises einen weiten Prüfungsrahmen. Allgemein wird jedoch auch ein einfacher Mietspiegel einem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beweisführung vorzuziehen sein.

 

Qualifizierten Mietspiegeln kommt ein gesteigerter Beweiswert zu, indem vermutet wird, dass die bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete im Sinne des § 558d Abs. 3 BGB wiedergeben. Es handelt sich also in rechtlicher Hinsicht um eine ganz erhebliche Privilegierung des Verwenders eines qualifizierten Mietspiegels, denn der sogenannten Darlegungs- und Beweislast kommt im Zivilprozess ganz entscheidende Bedeutung zu.

 

Diese Vermutung ist jedoch widerlegbar. Dem Mittelwert einer Mietpreisspanne kommt keine erhöhte Vermutungswirkung zu.

 

Nachbargemeinden

 

Ist in der betreffenden Kommune kein aktueller Mietspiegel vorhanden, so kann das Mieterhö- hungsverlangen auf den Mietspiegel einer vergleichbaren Nachbargemeinde gestützt werden (§ 558a Abs. 4 S. 2 BGB).Die Regelung ist auch anwendbar, wenn in der Gemeinde überhaupt kein Mietspiegel erstellt worden ist. Der Vermieter muss die Vergleichbarkeit im Mieterhöhungsverlangen nicht gesondert begründen, diese Bezugnahme darf jedoch nicht offensichtlich unbegründet sein (LG Mönchengladbach WM 1993, 197).

 

Kommen mehrere Nachbargemeinden zur Heranziehung in Betracht, muss der Vermieter jedoch seine Auswahl näher begründen. Im Prozess wird die Vergleichbarkeit anhand folgender Kriterien überprüft: Größe der Gemeinde, Bevölkerungszahl, Infrastruktur, Versorgungseinrichtungen im Schul- und Bildungsbereich, Lärmbelastungen, verkehrsmäßige Erschließung und Anbindung.

 

 

Von unserem Kooperationspartner, Herrn Rechtsanwalt Matthias Radu (2014).

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